frühe Kindheit und Grundschulzeit Kahn ist Schüler der heutigen Menzel-Oberschule Hitler Reichskanzler, Ermächtigungsgesetz NSDAP-Mehrheit bei Reichswahlen Hindenburg stirbt, Hitler wird Führer und Reichskanzler, Vereidigung der Wehrmacht auf Hitler Einmarsch deutscher Truppen in Österreich Reichspogromnacht Juden müssen zusätzl. die Vornamen "Sara" bzw. "Israel" annehmen Angriff auf Polen, Beginn des 2. Weltkrieges 1. Massendeportationen, ca. 87.000 Juden und Polen Überfall auf die SU und Lettland Rosie Kahn (Mutter) wird ermordet 6. Armee im Raum Stalingrad eingeschlossen Liquidierung der Gettos im besetzten Osten, Kahn wird ins KZ Kaiserwald verlegt Vernichtungslager Majdanek befreit durch Rote Armee Befreiung Kahns durch einen jüdischen amerikanischen Offizier Kahn kommt mit befreiten franz. und belg. Kriegsgefangenen nach Brüssel Kahn emigriert in die USA und nimmt den neuen Namen "Ernest Kan" an Kan beginnt Zeitzeugentätigkeit (Universität und Schulen) Deutschlandbesuch: Zeitzeugenprojekt in Berlin und Vorträge in Magdeburg
1922 1932 1933 1934 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1947 1998 2003
Reichstagsbrand: KPD- und SPD-Mitglieder beschuldigt und verhaftet Saarabstimmung: Saarregion mit 90,8% an Deutschland Wehrmacht besetzt Rheinland Hitler zieht Unterschrift unterm Versailler Vertrag zurück Mobilmachung in Tschechien Aufforderung zur Abmeldung von der Menzelschule Leben in Riga (Lettland), Arbeit bei Ford Eroberung Polens Überfall auf Dänemark und Norwegen Deutsche Offensive gegen den Westen Zwangübersiedlung ins Getto von Riga Goebbels verkündet den 'Totalen Krieg' Kahn wird nach Stutthof und Magdeburg, Außenlager Buchenwald, verlegt Selbstmord Hitlers Bedingslose Kapitulation der Wehrmacht

:: Bilder

Das Handtuch aus der Fabrik Polte in Magdeburg - ein Souvenir der Sauberkeit nach all den Jahren im Schmutz und Elend
Die Befreiung

Eine dramatische Zuspitzung erfolgte noch in den letzten Stunden vor seiner Befreiung: dreimal entkam er - wie durch ein Wunder - dem Tod.
Eines Tages wurden alle Häftlinge in ihrem Lager zusammengetrieben, um sie auf einen der berüchtigten Todesmärsche zu schicken. Jetzt war es Ernst bewusst, dass seine letzte Chance gekommen war, um durch eine Flucht sein Leben zu retten. Ernst drei seiner Mithäftlinge nutzten also in dem allgemeinen Durcheinander der Wagen und Marschkolonnen die erstbeste sich bietende Gelegenheit zur Flucht. Sie flüchteten auf den Dachboden der nahegelegenen Fabrik, der Munitionsfabrik Polte. Dort entledigten sie sich ihrer Häftligskleidung und zogen deutsche Overalls an, die sie dort vorfanden. Dort fand Ernst auch das Handtuch, das er noch heute besitzt und auch zu uns nach Berlin mitbrachte.
Außer dem Overall und dem Handtuch nahm Ernst auch einen Gürtel - so etwas war ihm als Häftling nicht gestattet gewesen. Endlich, so dachte er, konnte er sich die Hosen ordentlich am Körper zusammenbinden, so dass der Overall nicht so sehr um seinen ausgezehrten Körper schlotterte. Er achtete nicht darauf, dass die Gürtelschnalle mit dem die damaligen Uniformen typischen Hakenkreuz versehen war - das sollte wenig später wieder eine dramatische Bedeutung haben.
Die Nacht über versteckten sie sich dort. Am nächsten Morgen wurden sie von drei SS-Soldaten mit vorgezogener Waffe wieder eingefangen. Sie wurden auf dem Hof der Fabrik zusammengetrieben, wo schon etliche andere Häftlige mit erhobenen Händen standen. Die Soldaten holten sie in kleinen Gruppen mit einem Kleinlaster ab, der zehn Minuten später wieder leer zurückkam. Ihm war klar, dass die Gruppen nacheinander exekutiert wurden.
Plötzlich brach Fliegeralarm aus und die Fabrik wurde von den Bomben der Allierten, die in der Umgebung einschlugen, erschüttert. Die Soldaten rannten auf ihre Verteidigungsposten. Zuvor schlossen sie Ernst und seine Mithäftlige ein. Bei jedem Einschlag zuckte er zusammen. Beim Anlehnen an die Tür, bemerkte er, dass diese unverschlossen war. Anscheinend hatte der Druck der Bomben oder ein mitleidiges Herz eines Bewachers das Schloss geöffnet. Das war ihre Chance und sie fingen an zu rennen. Ernst und drei seiner Mithäftlinge rannten durch die fallenden Bomben bis sie einen Aufzugschacht fanden, in dem sie sich versteckten.

Nach einiger Zeit, schickten sie einen, der einem Deutschen - groß und blauäugig - ähnelte, aus, um nachzusehen, was draußen los war. Nach über einer Stunde, sie glaubten schon gar nicht mehr, dass ihr Späher noch am Leben wäre, kam dieser zurück mit einer großen Schüssel Suppe und verkündete, dass die Amerikaner draußen ständen. "Wir sind frei!"
Sie stützten aus ihrem Versteck und rannten den Amerikanern entgegen. Sie trugen für Ernst völlig unbekannte Uniformenbund Waffen und fuhren merkwürdige Geländefahrzeuge und sie waren über und über mit Schlamm und Dreck überzogen. Die Amerikaner hoben ihre Gewehre und riefen: "Stop, hands up".
Sie glaubten zunächst nicht, dass Ernst ein Gefangener wäre, da sie die Gürtelschnalle mit dem Hakenkreuz entdeckten. Ernst erklärte ihnen, dass er ein Jude aus dem nahegelegenen Lager sei. Der Soldat fragte ihn auf jiddisch:"So bist du a Jid", worauf Ernst auch auf jiddisch antwortete:" Ja, ich bin a Jid".
Erst daraufhin waren Ernst und die anderen außer Lebensgefahr. Nun waren sie endlich befreit. Der amerikanische Offizier gab, bevor er mit seiner Abteilung weiterziehen musste, Ernst sein Gebetsbuch und einen jüdischen Anhänger und sie umarmten sich.

"Du bist jetzt frei - geh, wohin du willst!", sprach der Amerikaner, sprang in seinen Jeep und fuhr davon. Noch lange Zeit später ärgerte sich Ernst, dass er den Soldaten damals nicht nach seinem Namen gefragt hatte. (Später allerdings machte er den Namen der Kampfgruppe und des Offiziers ausfindig. Er besuchte den Veteranenclub der Truppe und nahm dann auch an der Beerdiung des Offiziers teil, wo Ernst eine bewegende Grabrede hielt.)

Auf die Frage einer Schülerin im Konzentrationslager Sachsenhausen, "was es für ein Gefühl gewesen sein, endlich wieder frei zu sein?", suchte der heutige Ernest Kan noch immer lange nach Worten, während sein Blick in die Ferne schweifte. Passende Worte fand er nicht. Er begnügte sich dann mit dem Vergleich: "Ich würde dies mit der Situation eines Unschuldigen vergleichen, der zum Tode verurteilt wurde und nach fünf Jahren Zuchthaus vom Gouverneur begnadigt wird."

Sekunden später ergänzte Kan, während seine Augen die wandernden Wolken im blauen Himmel verfolgten: "Wenn ich auch jetzt darüber spreche, füllen sich meine Augen mit Tränen."

Eine unbeschreibliche Stille umgab uns. Man hörte nur noch den Wind, der an diesem heißen Tag im Juni 2003 wehte.

Später erzählt er, dass er in den Momenten, nachdem die amerikanischen Soldaten, die ihn befreit hatten, mit ihren Jeepes verschwunden waren,nur eine innere Stimme, ein Gefühl aus dem Magen, hatte hören können. Alles um ihn herum sei verschwommen gewesen. Das nächste, an das er dachte, war der grauenvolle Hunger. Er war zu hungrig um an etwas anderes zu denken. Dementsprechend hatte er nur ein einziges Verlangen: "Essen, Essen, Essen!".
Ernst "stürmte" mit seinen Kameraden auf ein verlassenes Lagerhaus zu. Dort fanden sie "50-Pfund-Säcke von Bohnen, Zucker, Reis, Brot, Wasser usw." Er sei vollkommen begeistert gewesen und habe das Gefühl gehabt nur zu träumen.


:: Videos

Es sind leider keine Videos zu diesem Thema vorhanden.
Die Urheberrechte an den Texten, Bildern und Videos liegen bei ihren Eigentümern.
Startseite || << || Index || >> || Impressum