Wenn der mann mit der schiebermütze zu frank hinschauen würde,
könnte er sehen, wie, ab und zu, das ohnehin freundlich wirkende
gesicht von frank sich zusätzlich erhellte. der mann könnte es
für ein inneres lachen von frank halten. oder er könnte denken,
dass frank vielleicht einen tick habe. einen, der ihn ab und zu
auflachen ließe, tourette positiv sozusagen. unvorhersehbar.
grundlos. laut.
Frank schaut auf ein kleines smartphone-display. eine große zahl
dreht sich.
Der mann neben frank erkennt mit einem schnellen schüchternen seitenblick die navigationsapp auf dem
smartphone-display. das farbige layout, die aufteilung des
bildschirms. er hat die gleiche app in seinem auto. im blickfeld
der mittelkonsole ist sie gut erreichbar. bedienen muss der mann
neben frank, wenn er in seinem eigenen wagen sitzt, nicht sehr
viel. er drückt morgens "Arbeit". abends drückt er "privat".
Frank hat sein smartphone ausgemacht. er richtet sich auf. er
platziert sein smartphone in der beintasche seiner hose. er
streckt den hals noch ein wenig und legt den kopf gegen die
scheibe des ICE. er hält die augen geschlossen.
Dem mann neben frank ist es recht, dass frank jetzt die augen
geschlossen hält. die augen des mannes neben frank wandern zu der werbung über den
fenstern auf der anderen seite des wagons.
Bis eben, bevor er die augen schloss, spielte frank. das spiel hieß "tachostand". frank nutzt
das GPS, das die app im dahinrasenden wagon auffängt und in
blitzesschneller berechnung aus diversen
satellitenstandortsignalen eine relative geschwindigkeit
feststellen und auf dem display anzeigen kann.
Der mann fixiert jetzt das von der DB zu informations- und
werbezwecken in der mittelachse des wagens aufgehängte display,
das mit einem QR-tag zum bewerten der aktuellen fahrt
auffordert.
Wenn frank tachostand spielt, zwingt frank sich für eine gewisse
zeit nicht auf das display des smartphone zu schauen.
Der schiebermützenmann, der an den füßen CONVERSE-stiefeletten
aus leinwandstoff trägt, dreht seinen kopf wieder zu frank hin. er schaut
ihn an, er scannt das entspannt an der scheibe des ICE lehnende
gesicht, das beschienen wird von der im rythmus der
oberleitungsmasten unterbrochenen abendsonne.
Frank wird es beim tachostandspiel - immer - kaum aushalten
können, nicht auf das display zu schauen. aber frank weiß, dass die
wahrscheinlichkeit, die genaue zahl des tachostandes zu treffen,
immer geringer wird, je länger er wartet.
Frank öffnet die augen. er will aber noch nicht auf das smartphone-display schauen. er verfolgt jetzt erst einmal mit den augen einen weißen lieferwagen, der parallel
zur bahnstrecke dahinrollt, auf einer mit jungen weißstämmigen
birken gesäumten bundesstraße. der lieferwagen bleibt zurück.
frank nimmt den blauen lkw mit anhänger ins visier. FRIEDHELM
TRANSPORTE. danach ist ein rotes cabrio sein zielobjekt. am
steuer ein älterer mann mit cabrio-mütze. "passt nicht zu
MAZDA", denkt frank.
Der mann neben frank sieht, dass frank die augen geöffnet hat und er stellt beruhigt fest, dass das
unerklärliche impulsive lachen seines nachbarn aufgehört hat. er
hat es vorhin - durchaus - an franks körperzuckungen bemerkt,
sich aber gezwungen, nicht den kopf zu drehen. privatsphäre ist
tabu, so sein motto.
Dann, nach immer wieder verschobenen kleinen zusatz-timings ,,,
in FACEBOOK rumblättern, DER SPIEGEL aufrufen ,,, schaut frank
dann doch aufs display. und ja: 213! frank ist begeistert. er
lacht. kichert. meine fresse, denkt er, was geil! genau
getroffen!
Franks nachbar räuspert sich: Wenn ich SIE mal was fragen darf
- SIE haben doch eben - und auch vorhin - in sich hinein gelacht, oder?
Frank hebt den kopf und blinzelt. er ist verwirrt. der nachbar
im zug spricht mit ihm. was will der? frank möchte sich nicht
unterhalten. jedenfalls JETZT nicht. oder doch. nicht unhöflich
sein.
Ja, vorhin, und eben auch, - da haben SIE in sich hinein gelacht.
Ach so, vorhin, eben, naja, du musste ich lachen. ich hab genau die
geschwindigkeit getroffen, die der zug fuhr. exakt die richtige
zahl für kilometer pro stunde.
Der mann neben frank schaut ungläubig. er wartet auf weitere
erklärungen. er kann aus dem gesagten nicht die essenz filtern.
er ist auch dahingehend verunsichert, ob sein nachbar, FRANK,
ihn, den MANN MIT SCHIEBERMÜTZE, veräppelt.
Frank erkennt seines nachbarns dilemma. Daher sagt frank zu dem mann mit der schiebermütze: Was halten sie denn von folgender geschichte:
EIN MANN VERFÄHRT SICH ABSICHTLICH - OBWOHL ER EIN NAVI HAT. ER MÖCHTE SEHEN, WOHIN IHN DAS NAVI DANN SCHICKT, UM IHN AUF DEN RECHTEN WEG
ZU BRINGEN. - ABER EIN BISSCHEN SPAß MÖCHTE AUCH DABEI.
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